Mittwoch, 2. September 2015

Filmkritik: "Das Märchen der Märchen"


Der Märchenboom ist auch nach zahlreichen Verfilmungen immer noch nicht abgebrochen. Die Mischung aus bildgewaltiger Fantasy gepaart mit einer meist ansprechenden Moral kommt beim Publikum einfach zu gut an. Wen wunderts ? Nachdem die letzten reinen Fantasyverfilmungen wie z.B. "Seventh Son" keine großen Jubelstürme hervorrufen, besinnt sich Hollywood lieber wieder auf klassische Märchen. Doch nicht nur in Amerika ist diese Bewegung zu spüren. Letztens gab es mit der Neuverfilmung von "Die Schöne und das Biest" von Christophe Gans ("Pakt der Wölfe", "Silent Hill") ein bildgewaltiges Epos, das Zuschauer und Kritiker gleichermaßen begeisterte. Von der Effektgewalt eines Gans ist der Italiener Matteo Garrone ("Gomorrha - Reise in das Reich der Camorra) zwar meilenweit entfernt, aber dafür verzaubert uns der Regisseur mit traumhaften Bildern in barocker Ästhetik und mit Geschichten, die mit ihren Irrungen und Wirrungen oftmals überraschen.

Die drei miteinander verwobenen Geschichten basieren dabei auf Giambattista Basiles "Das Pentameron", einem italienischen Autor des frühen 17. Jahrhunderts:

Die Königin eines Reiches (Salma Hayek) lässt sich einfach nicht aufmuntern. Ihr einziger Wunsch ist ein Baby. Dieser Wunsch kann aber nur durch das Verzehren des Herzes eines Seemonsters erreicht werden.
Ein anderer König (Toby Jones) beschäftigt sich lieber mit einem Floh, als mit seiner Tochter. Als diese ihn aber bittet nach einem Mann für sie zu suchen, kommt dem König die Idee eines unlösbar scheinenden Wettbewerbs. Doch ausgerechnet ein Ogerähnlicher Mensch kann das Rätsel lösen.
Der dritte König (Vincent Cassel) im Bunde dagegen macht aus seiner Liebe zu Frauen keinen Hehl. Als dieser jedoch die Stimme von Dora (Hayley Carmichael) hört, verliebt sich der König sofort in den Engelsgesang. Um das Aussehen der Dame ist es allerdings nicht unbedingt gut bestellt...

Drei Geschichten mit jeweils drei unterschiedlichen Moralen präsentiert uns Matteo Garrone in "Das Märchen der Märchen". Nichtsdestotrotz schwirren weit mehr Themen durch den Film, als in einem Märchen normalerweise angesprochen werden. Es geht um Vergänglichkeit, Schönheit, die Lust am Leben, aber auch um Freundschaft und Tod. Die Geschichten entwickeln sich aus einer einfachen Grundlage oftmals hin zu einem bitterbösen Ende, das den Humor, der die vorherigen Szenen durchzog, durch ein Gefühl von Unsicherheit und Schock ersetzt. Das Drehbuch versteht es Spannung aufzubauen, aufgrund der Dreiteilung wird aber nicht auf einen gemeinsamen Höhepunkt hingearbeitet, was ungefähr in der Mitte des Films das eine oder andere Langeweileloch aufschlägt. Zudem sei zu erwähnen, dass die einzelnen Episoden nicht wirklich clever miteinander verbunden sind. Meist geschehen die Szenewechsel nur durch einfaches Abblenden.
Das hat man bereits kreativer gesehen (z.B. in "Cloud Atlas" von Tom Tykwer und den Wachowski-Geschwistern).

John C. Reilly und Salma Hayek als Königspaar von Longtrellis

Abgesehen von den kleinen Drehbuchschwächen, ist aber die visuelle Gestaltung über jeden Zweifel erhaben. Fast jede Einstellung kommt einem Gemälde gleich. Seien es die wunderbaren Kulissen oder die herrlichen, vom Barock angehauchten Kostüme. Die Kameraarbeit erinnert dabei stellenweise an Tarsem Singhs Meisterwerk "The Fall", mit seinen nach Symmetrie suchenden Totalen und dem cleveren Bildaufbau. Und auch die wenigen Kreaturen, die das Filmgeschehen erweitern, sehen noch nach echter Handarbeit aus. Zwar gibt es auch Szenen, in denen die Monster komplett am Computer erstellt wurden, doch dazwischen finden sich auch viele Aufnahmen mit realistischen Attrappen. Die Gestaltung der Kreaturen reicht dabei von kreativ bis leicht trashig. Den positiven Eindruck kann das aber nicht trüben.


Vincent Cassel als lüsterner König bei einer seiner freizügigen Feierlichkeiten

Auch bei den Schauspielern erlaubt sich Garrone keine Ausrutscher. Salma Hayek ist und bleibt mit ihrer Anmut und Präsenz ein wahrer Augenschmaus, während sie gleichzeitig auch mit ihrem guten Spiel überzeugen kann. Die meisten Pluspunkte aber sammeln die beiden Könige gespielt von Vincent Cassel und Toby Jones. Während Cassel in seiner Rolle als "sexsüchtiger" König viele Lacher abstauben kann, sorgt Toby Jones mit der Interaktion mit seinem tierischen Liebling für herrlich skurille Anblicke. Gegen Ende des Films profiliert sich aber vor allem eine Darstellerin:
Bebe Cave, die im Film die Tochter des von Toby Jones verkörperten König spielt, beweist in ihrer Rolle einiges an Stärke, als sie versucht ihren ungewünschten Ehemann abzuschütteln. Ganz großes Kino !

Die Tochter des Königs von Highhills (Bebe Cave) versucht sich mit ihrem Ehemann zu arrangieren

Fazit: Matteo Garrone bringt stilsicher und mit viel Humor, aber auch Skurrilität ein Märchen auf die Leinwand, dass rein gar nichts mit den weichgespülten Disneymärchen gemein hat. Stattdessen setzt er voll und ganz auf seine Geschichten und liefert damit einen Film für Freunde des Düsteren, der aber mit minimalen Schwächen beim Drehbuch zu kämpfen hat. "Brothers Grimm" lässt grüßen !

P.S.: "Das Märchen der Märchen", im Original "Tale of Tales" lief auf den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes und läuft derzeit in ausgewählten Kinos.

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