Samstag, 27. April 2013
Filmkritik "Mama"
So unglaublich es klingen mag, aber selbst Regisseure wie Tim Burton, James Cameron oder Guillermo del Toro haben klein angefangen. Gerade die in der Anfangszeit entstehenden Werke definieren das Werk eines Künstlers bei späterem Erfolg und sind gerade wegen ihrer Ambitionen einen Blick wert. Ein typischer Einstieg ist dabei der Kurzfilm.
Meist 5-10 Minuten lang bietet er genug Spielraum, um sich kreativ auszutoben und gleichzeitig das Budget nicht überzubeanspruchen. Ein solcher karrierestartender Kurzfilm ist auch der spanische Horrorfilm "Mama" des bis dato unbekannten Regisseurs Andres Muschietti gewesen. Angeblich soll der Spanier mit seinem Film den Großmeister des Fantasy/Horrorfachs Guillermo del Toro dermaßen überzeugt haben, dass er ihm einen Langfilm ermöglichte. Der vor wenigen Wochen erschienene "Mama" (mit dem bescheuerten Untertitel "Die Liebe einer Mutter ist ewig") ist nun das Ergebnis dieser Zusammenarbeit und liefert gelungene Horrorkost mit kreativen Inszenierungskniffen und beeindruckenden Schauspielern.
Als ihr Vater eines Tages ihre Mutter umbringt, laufen die beiden Schwestern Victoria (Megan Charpentier) und Lilly (Isabelle Nélisse) davon und verstecken sich in dem Wald nahe ihres Wohnortes. Fünf Jahre lang suchen ihr Onkel Lucas (Nikolaj Coster-Waldau) und dessen Freundin Annabel (Jessica Chastain) verzweifelt nach den Mädchen. Als die beiden eines Tages lebend in einer Hütte gefunden werden, ist die Erleichterung groß und das Paar nimmt die Schwestern bei sich zu Hause auf. Annabel gibt sich große Mühe, die beiden Mädchen als eine Art Ersatzmutter wieder zur Normalität zurückzuführen, doch gleichzeitig spürt sie, dass eine böse Macht gemeinsam mit den Kindern ins Haus eingedrungen ist. Einige Fragen sind kaum zu ignorieren, beispielsweise wie die kleinen Mädchen auf eigene Faust so lange überleben konnten. Mit den Antworten kommt Annabel bald die Erkenntnis, dass das Flüstern, welches sie nachts hört, von den Lippen einer tödlichen Präsenz herrührt…
Guillermo del Toro ist ein faszinierender Regisseur. Seine eigen inszenierten Filme wie "Pans Labyrinth" oder auch "Hellboy" leben von skuriller Fantasie und tragischem Unterton. Seit neustem produziert der Regisseur aber auch einige Horrorfilmchen, bei denen er den Regiestuhl an talentierte Nachwuchsregisseure abgibt. Das letzte dadurch entstandene Werk war "Don´t be afraid of the Dark", der am Ende leider doch mehr enttäuschte, als begeisterte. Umso erfreulicher ist es nun zu sehen, dass mit "Mama" ein besserer Weg eingeschlagen wurde. Gerade in der ersten Hälfte ist der Spuk latent und schaurig schön. Zwar steht bereits am Anfang fest, dass hier ein waschechter Geist sein Unwesen treibt, aber Muschietti begeht nicht den gleichen Fehler wie Troy Nixey in "Don´t be afraid of the Dark". Die titelgebende Mama bekommt man anfangs nämlich nur am Bildrand, verschwommen oder als Schatten zu sehen, was dem Film vieles an Spannung schenkt. Recht bald schwenkt "Mama" aber um und zeigt das wütende Wesen in all seiner Pracht. Die logische Konsequenz wäre natürlich Spannungsverlust, aber genau ab diesem Punkt zeigt sich die Zusammenarbeit mit del Toro, denn Mama ist keinesfalls ein einfallslos designter Geist, sondern vielmehr ein skurilles Monster, das an die Fantasiewesen aus "Pan´s Labyrinth" erinnert.
Positiv zu bemerken sei hier die gelungene Animationsarbeit der Special-Effects-Macher, denn auch in voller Pracht bleibt "Mama" gruselig. Die Story dahinter bleibt dagegen oftmals klischeebehaftet. Allerdings weicht Muschietti auch hier vom Standardallerlei ab, indem er am Ende auf das horrortypische Ende verzichtet und stattdessen tragische, eigene Wege geht. Diesen Mut zur Andersartigkeit beweist er auch, wenn man den Plot näher betrachtet. Auch wenn es hier hauptsächlich um die Heimsuchung durch einen Geist geht, vertieft sich das Drehbuch bei der Figur von Annabel, die sich im Laufe des Films einer gehörigen Katharsis unterziehen muss. Als Rockerin einer Punkband und mit ihrem recht freien Lebensstil findet sie, dass sie nicht für eigene Kinder geeignet ist. Nach anfänglicher Distanz zu den wiedergefundenen Mädchen, entwickelt sie bald Muttergefühle und einen Beschützerinstinkt, als sie bemerkt, was die Mädchen verfolgt. Somit erhält "Mama" auch tragische Züge, die von Hauptdarstellerin Jessica Chastain gekonnt vermittelt werden.
Die oscarnominierte Actrice beweist hier ihre Wandlungsfähigkeit und trägt den Film auf ihren Schultern. An ihrer Seite steht der aus "Game of Thrones" bekannte Finne Nikolaj Coster-Waldau, der als besorgter Onkel ebenfalls überzeugt. Nicht zu vergessen sind dabei aber auch die Kinderdarsteller, die den Film erst so richtig atmosphärisch werden lassen. Gerade die kleine Lily sorgt hier und da mit ihrem merkwürdigen Verhalten für gruselige Momente und gerade am Ende ist ihr Charakter auch einer der Tragischsten.
Neben den tollen Schauspielern empfiehlt sich aber auch der Jungregisseur für spätere Arbeiten. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er nicht nur Szenen aus seinem Kurzfilm übernimmt, sondern diese auch noch aufpeppt und über den ganzen Film kreative Einfälle zeigt. So z.B. sind die Traumsequenzen inszenatorisch höchst interessant und einige erdachte Kamerafahrten gehören zum Besten, was ich in letzter Zeit bei Horrorfilmen gesehen habe. Und vor allem in der letzten Hälfte finden sich Parallelen zu Guillermo del Toros Werken, wenn Muschietti den fantastischen Elementen im Film freien Lauf lässt.
Fazit : Natürlich erfindet "Mama" das Horrorrad keinesfalls neu, aber zum standardisierten Plot addiert Andres Muschietti eine dramatische Note, viel inszenatorische Finesse und ein Schauspielerensemble der Spitzenklasse. Somit ist "Mama" für Fantasy-Begeisterte oder Horrorfans genau der richtige Stoff, aber auch Fans von Guillermo del Toro sollten einen Blick riskieren, denn die grundlegenden Elemente seines Schaffens, mit denen er sich zumindest bei mir stark empfohlen hat, zeigen sich auch hier.
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