Samstag, 28. Dezember 2013

Filmkritik : "Der Medicus"


Es gab Zeiten, in denen europäische Produktionen den hiesigen Blockbusterproduktionen aus Hollywood in nahezu nichts nachstanden. Deutsche und europäische Produktionen wie "Das Parfüm" , aber auch "Der Name der Rose" waren produktionstechnisch hervorragende Produkte, die beweisen, dass auch mit geringerem Budget, aber dafür mit der richtigen Vision ein guter Film entstehen kann. Mit "Der Medicus" kommt nach langer Zeit nun wieder eines dieser Produkte in die Kinos. Basierend auf Noah Gordons Weltbestseller schildert der Münchner Musikvideo- und Werberegisseur Philip Stölzl die Lebensgeschichte des jungen Mediziners Rob Cole. Auf den epochalen 170min schafft es der Regisseur allerdings nicht ganz die komplexe Handlung für die Leinwand zu adaptieren.

London im beginnenden Hochmittelalter. Der junge Rob Cole (Tom Payne) besitzt eine besondere Gabe: Er konnte den nahenden Tod seiner Mutter bereits einige Zeit zuvor spüren. Nachdem dieser tatsächlich eintritt, bleibt Cole jedoch nicht lange allein. Der fahrende Bader (Stellan Skarsgård) nimmt ihn mit auf seine Fahrten und lehrt ihn kleine Taschenspielertricks, führt in aber auch in die Heilkunde ein. Cole erkennt frühzeitig, dass diesen Methoden Grenzen gesetzt sind, so dass er nach größerem Wissen zu streben beginnt. Er entschließt sich, in das persische Isfahan zu reisen und dort den "Arzt aller Ärzte" Ihn Sina (Ben Kingsley) aufzusuchen. Die Reise ist verboten und gefährlich, doch getrieben von seinem Wissensdurst nimmt der junge Rob die Strapazen auf sich. Auf seinem abenteuerlichen Trip muss er allerlei Herausforderungen meistern, aber er lässt sich durch nichts von seinem Weg abbringen. 

Es ist immer schwer einen dicken Schmöker ohne Abstriche auf die Leinwände zu bannen. Hier und da müssen Kürzungen erfolgen, um eine angemessene Dramaturgie zu schaffen. Es gibt sicherlich schlechtere Beispiele, aber auch bei diesem Film ging das ganze Prozedere ein wenig daneben. Zwar muss ich zugeben, dass ich die Romanvorlage selbst noch nicht gelesen habe, aber anhand des Schnittes und der vielen Sprünge in der Handlung kann man schnell vermuten, dass es sich hier um Kürzungen im Vergleich zum Roman handelt. Von Rob Coles Kindheit bis zum jungen Mann vergehen gerade einmal fünf Minuten und auch die Reise durch die ganze Welt wird innerhalb von zwei Minuten abgehandelt. Zwar setzt man damit den Fokus deutlich auf die hintere Hälfte, in denen es dann auch um die thematischen wichtige Punkte geht, aber dem Zuschauer wird dadurch die Identifikation mit dem Protagonisten erschwert, da er nicht sonderlich viel über Rob Coles haarsträubende Reise erfährt.

Sobald Cole aber Persien erreicht, offenbart sich die unglaubliche Tiefe des Stoffes. Wir werden Zeuge von religiösem Fanatismus gegenüber der "modernen" Heilkunst und man erkennt auch in welchem Zwispalt die Wissenschaft mit der Religion zu dieser Zeit stand. Leichen öffnen, um zu sehen wie unser Körper von innen aussieht ist eine Freveltat, die sofort mit dem Tod bestraft wird. Einzig und allein Rob Cole, der mit einer wahnsinnigen Neugierde ausgestattet ist, versucht sich daran und erntet anstatt Gottes Zorn, Lob und Freundschaft. Der Weg der Erkenntnis und der Zusammenstoß der vielen Kulturen ergeben ein spannendes Konfliktpotenzial, das mit politischen Intrigen noch angereichert wird. Stölzl transportiert diese Thematiken sehr gut und reduziert sie auf das Wesentliche. Holprigkeiten finden sich dagegen in der hinzugedichteten Liebesgeschichte zwischen Rebecca und Rob Cole. Diese Episode gibt dem Film zwar eine emotionale Ebene und behandelt auch hier religiöse Themen und die Unterwürfigkeit der Frau zur damaligen Zeit, aber anstatt Rebecca zu einer starken Frau werden zu lassen, die sich gegen diese Problematiken stellt, ist es Emma Rigbys Charakter nicht erlaubt mehr zu tun, als ihren Geliebten Rob Cole anzuhimmeln.

Emanzipation sieht zwar anders aus, aber Emma Rigby setzt trotzdem mit ihrer natürlichen Schönheit und ihrer sympathischen Art einige Akzente. Was ihrem Charakter an Tiefe fehlt, macht sie mit einer guten schauspielerischen Leistung somit wieder gut. Als ebenfalls ideal besetzt empfinde ich Tom Payne als der titelgebende Medicus Rob Cole. Der noch sehr unbekannte Schauspieler transportiert gekonnt Coles fast schon naive Neugierde, die von dem Tod seiner Mutter her rührt. Für diese Neugierde muss er zwar einiges einstecken, aber dennoch ist dieser Weg des Wissens für ihn das Richtige. Deutlich prominenter geht es in den Nebenrollen zu. Neben dem Schah, der von Olivier Martinez verkörpert wird, bleiben vor allem Stellan Skarsgaard, als mürrischer, aber dennoch beherzter Bader und Sir Ben Kingsley als mystischer und äußerst weiser Mediziner Ibn Sina im Gedächtnis.

In Sachen Inszenierung gibt sich der Regisseur dagegen routiniert. Es gibt hier und da wunderschöne Außenaufnahmen zu bewundern und vor allem die Kulissen wissen dank ihrem Detailreichtum zu überzeugen. Ebenfalls toll sind die Kostüme, denn im Gegensatz zu vielen Hochglanzproduktionen sammelt sich hier auch mal der Dreck auf den Gesichtern der Protagonisten. Das düstere Mittelalter und auch Persien entsprechen hier somit nicht nur den klassischen Abziehbildern. Allerdings gibt es auch hier wieder einen kleinen, aber dennoch wichtigen Kritikpunkt. Die Spezialeffekte, die für manche Hintergründe gebraucht wurden, lassen sich das ein oder andere mal deutlich als solche erkennen.

Fazit : "Der Medicus" ist ein klassischer Monumentalfilm, mit grandiosen Schauspielern und vielen visuellen Schmankerln. In Sachen Handlung wurden dagegen zwar die interessanten Thematiken aufgegriffen, aber die Kürzungen, um vom Roman auf einen abendfüllenden Kinofilm zu kommen fallen gerade in der ersten Hälfte störend auf.

Bewertung :
  

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