Dienstag, 19. Juni 2012

Independent-Tipp (Juni 2012) : "Am Ende des Weges"

Interessant, metaphorisch und bewegend : Am Ende des Weges





Es ist Samstagabend und in Erding, der schönen Herzogstadt in Bayern, brennt die Sonne auf die Menschen nieder. In der Nähe des Schwimmbades herrscht reges Treiben und die Leute strömen nur so ins kühle Nass. Doch an diesem Tag gab es weit interessanteres zu entdecken, als das nächstbeste Freibad, nämlich die Filmpremiere zu einem Kurzfilm, der genauso verstörend, wie auch kraftvoll ein Thema behandelt, über das eigentlich keiner gerne reden würde : Kindesmissbrauch !
Doch das Team um Nelson Berger setzt keinesfalls auf rührende Momente, sondern beschäftigt sich mit dem Menschen, nach einem solchen Übergriff und das, trotz einiger Schwächen, auf einer unglaublich kraftvollen Art und Weise.

In diesem Kurzfilm muss sich Aaron, ein verstörter junger Mann, seinen Rachegefühlen stellen und er wird erkennen, dass ihn sein Leid noch zu weit schlimmeren Taten führen wird, als er anfangs vielleicht glaubt. Er will Rache üben, auf eine Weise, von der er besessen ist. Ein Film zeigt ihm wie und wird ihm später zum Verhängnis werden!

Der Beginn des Films ist stark : Das Bild wird langsam heller, ein Metronom wird sichtbar, das uns den Takt des Lebens vorspielt und plötzlich fängt der Erzähler an und erzählt von Ereignissen, die diesen unterbrechen. Ein gelungener Einstieg, der nicht nur Interesse weckt, sondern auch unglaublich intelligent ist.

Bereits hier erkennt man, von was der Film lebt, denn die farbentsättigte, ruhige und hochwertige Inszenierung kombiniert mit der markanten Stimme des Erzählers und den Nahaufnahmen des Hauptcharakters saugen einen in das Geschehen. 
Doch auch die Laiendarsteller machen ihre Sache wirklich überzeugend.
Sebastian Brummer und Thomas Goersch verleihen ihren Rollen eine unglaubliche Präsenz.
Wenn Thomas Goersch als pädophiler Pfarrer (sicherlich keine leichte Rolle) mit einem Lächeln erzählt, das ihm das Wohl der Kinder am Herzen läge, dann gleicht das schockierender Ironie, die von Goerschs gutem Spiel unterstützt wird und auch Sebastian Brummer als isolierter und einsamer Aaron zeigt in den (nicht zu knapp verwendeten) Nahaufnahmen eine Mischung aus Wut und Verletzlichkeit, die er mit einer erstaunlichen Natürlichkeit präsentiert und nur einmal im Film etwas zu stark einsetzt.

Thomas Goersch weiß als pädophiler Pfarrer zu überzeugen

Doch auch wenn der Kurzfilm gelungen ist und zum Nachdenken anregt, so ist er keineswegs perfekt.
Gerade in Sachen Nachvollziehbarkeit hat man ein paar kleinere Probleme.
So z.B. ist es recht unglaubwürdig, wenn unser pädophiler Pfarrer einen Handlanger besitzt, der ihm immer wieder neue Opfer bringt. Solche Professionalität bei einer Vergewaltigung, zumindest bei einer, die vom Pfarrer verübt wird, wirkt einfach befremdlich. Zudem bleibt der Pfarrer weitestgehend schwach charakterisiert und somit seine Beweggründe oftmals im Dunkeln, doch der Frage nachzugehen, was einen Menschen zu solch einer Handlung treibt, hätte wohl auch den Rahmen des Films gesprengt. Ebenfalls befremdlich wirkt es, wenn Aaron mit einer Nachtsichtbrille seinen Racheakt startet. Zwar wurde dies sehr gut inszeniert und umgesetzt, doch gehören solche Ideen eher in einen Actionthriller, als in ein düsteres Rachedrama.

Tut er das Richtige ? Eine Frage, der sich Aaron selber stellen muss


Doch die größte Schwäche zeigt sich beim Film im Film, denn die Frage warum Aaron ausgerechnet seine Taten nach "Angst im Nacken" ausrichtet bleibt ungeklärt. Ist er davon besessen ? Hält er diese Methode gerechtfertigt für sein Leid  ? Man weiß es nicht und man kann es im Laufe des Films auch leider nur erahnen, wenn überhaupt. Bei solchen Lücken hätte man sich etwas Füllung gewünscht.
Das Ende jedoch weiß durch eine ungeahnte Wendung zu überraschen und erwischt den Zuschauer wirklich bei der kalten Schulter.

Fazit : Das, was also letztlich als Gesamtergebnis entstanden ist, ist ein beachtliches Werk, das sein Thema nicht nur mit eigenen Ansichten bereichert, sondern auch noch unglaublich stark inszeniert daherkommt, trotz einiger Schwächen bei der Nachvollziehbarkeit. Stellenweise vergisst man sogar, dass es sich hier um eine Low-Budget Produktion handelt.

Der Independent-Tipp (hier geht es zum Trailer) des Monats feierte am 17.06.2012 Premiere und wird am 28.07.2012 auf dem Sinnflut-Festival in Erding noch einmal gezeigt, zusammen mit weiteren Kurzfilmen und einem füllendem Rahmenprogramm. Wer also Zeit hat, sollte sich sowohl den Film, als auch das Festival nicht entgehen lassen !


  


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